Joseph Beuys selber gab einen entscheidenden Hinweis zu diesem Thema in einem Interview anlässlich seiner Ausstellung im Guggenheim Museum in New York 1979. Hier führt er aus, dass er in der Zeit seiner transformativen Krise Mitte der 1950er Jahre eine Kiste gemacht („gummierte Kiste“, 1957) und mit einem Gemisch aus Teer und Gummi bestrichen habe. Diese leere Kiste habe für einen inneren, geistigen wie auch äußeren realen Raum gestanden. In krisenhaften Umbruchsituationen brauche es die Abgrenzung gegen störende Einflüsse, einen freien Raum („Freiraum“), um in Ruhe und Isolation etwas Neues zu entwickeln, aus sich selbst heraus entstehen lassen zu können. Leere Kisten spielen dementsprechend immer wieder eine Rolle im Werk des Künstlers. Gerade die Intuitionskiste repräsentiert diese entscheidende Erfahrung und Erkenntnis, die Notwendigkeit, sich leer zu machen, sich von Ballast zu befreien, um offen zu werden für einen Neuanfang. Die Intuition ist dabei der Kompass für den eigenen, neuen Weg. In komplexen, unübersichtlichen Situationen helfen uns die Konzepte und Kochbücher der Vergangenheit nicht weiter.
Die Ausstellung im Kunstmuseum Villa Zanders zeigt keine spektakulären Objekte des Künstlers. Wir sind eher mit einer stillen Aufforderung konfrontiert, den eigenen Weg zu reflektieren, uns zu fragen, ob wir unser Leben, unser Lebens- und Arbeitsumfeld so gestaltet haben, wie es unseren Möglichkeiten und Bedürfnissen entspricht. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, dieser bekannte Ausspruch von Joseph Beuys, meint ja genau das: sich immer wieder leer zu machen, sich auf seine innere Stimme, auf seine Intuition zu verlassen, um äußere, gesellschaftliche Anforderungen und innere Bedürfnisse und Eigenheiten in Übereinstimmung zu bringen, sie kreativ zu gestalten.
Auf einer in dieser Ausstellung gezeigten Karteikarte von Joseph Beuys steht: „Unsichtbare Kooperatöre (Unsichtbare Plastik)“. Wenn wir bereit sind, uns auf die Werke des Künstlers einzulassen, werden wir zu seinen „Kooperatören“. Es beginnt in uns zu arbeiten, wir denken nach, stellen Fragen. „Denken ist Plastik“, hat Beuys gesagt. Es entsteht eine „unsichtbare Plastik“, eine neue Frage, ein neuer Gedanke, eine neue Theorie – vielleicht ist es sogar der Beginn einer Revolution.